Julius Ruska


Briefe aus Berlin



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27.12.1887 - Seite 2

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Julius an die Eltern



durch das Oderbruch. Ihr erwartet nun wahrscheinlich
eine Schilderung der Gegend. Das ist sehr einfach.
Denkt Euch zunächst eine endlose grauweiße Ebene, welche
unmerklich in den ebenso grauweißen Himmel über-
geht, von dem die Schneeflocken hernierderrieseln; das
ganze etwa einem flachen runden Brotlaib vergleich-
bar, u. auf der ganzen Fahrt immer dasselbe bleibend,
so habt Ihr erst einmal den „Totaleindruck"; er war
gerade bei der Hinfahrt nichts weniger als verlockend;
die folgenden Tage hatten wir meist wolkenlosen Himmel,
u. die Fahrt nach Stat. Letschin der Stettiner Bahn be-
hufs Rückreise fand ebenso bei herrlichem Sonnenschein
u. noch weiterer Fernsicht (wegen des glänzenden Schnees)
statt; aber obgleich diese unbegrenzte weiße Fläche
in ihrer Art auch einen großartigen Eindruck macht,
erweckte der Anblick in mir doch ein sonderbares
Gefühl von Verlassenheit und eine Sehnsucht nach
den Bergen; ja wenn nur Hügel gewesen wären-
aber nichteinmal Höhenunterschiede von einem Meter
konnte ich entdecken, abgesehen etwa von Gräben
oder dem Oderdamm, worauf ich später zu sprechen
komme. Und nun sich zu denken, daß es Leute
gibt, die ihr ganzes Leben unter diesen ein-
förmigen Himmel zubringen!
 
Die einzige Abwechslung sind die Wege,
Windmühlen, Gehöfte, Dörfer. Und nun muß ich
Euch die wesentlichen Unterschiede hervorheben